Verlorenes Brot
Journalistin Daniele Muscionico war für die erste Ausgabe des Magazins «Aspekte» der Credit Suisse in Carona unterwegs – nicht nur auf den Spuren von Meret Oppenheim und den Geheimnissen der Villa Costanza, sondern auch auf den Spuren ihrer eigenen Kindheit.
Text: Daniele Muscionico
Bilder: Philip Frowein
Aber sicher will ich diese Recherche versuchen! Die Anfrage von Primafila, die Geheimnisse der sagenumwobenen Villa Constanza in Carona lüften zu dürfen, war zu verlockend. Denn Carona, dieses noch immer aus der Zeit gefallene, kleine Dorf, spielt in meiner kleinen Biografie eine kleine Rolle. In Carona habe ich als Kind viel gelacht, und später viel geweint. Denn hier verbrachten wir sommers unseren Familienurlaub. Ist mir die Casa Constanza, nur einige Schritte von unserem Hotel entfernt, jemals aufgefallen? Ich fürchte nicht.
War ich Meret Oppenheim in Carona vielleicht einmal sogar persönlich begegnet? Sah ich sie beim Einkaufen, über die Piazza gehen, im Grotto des Dorfes etwas essen? Wenn ich darauf nur eine Antwort wüsste!

Wir haben in Carona unseren Familienurlaub verbracht. Das Hotel existiert noch immer, und auch Ausgangs Carona steht bis heute der Grotto, den wir gerne besuchten. I vero tipico Grotto ticinese! Er liegt dort, wo man auf einem leichten, schön geschwungenen Weg die Alpe Vicania besteigt, um sich oben mit Aussicht zu belohnen und mit üppigsten Rhododendren-Hainen. Von der Alpe Vicania kann, wer will wieder Richtung See zurückwandern, bis nach Morcote. Ein Hermann Hesse-Gefühl! Die Wanderung wie gesagt beginnt in Carona bei einem Grotto, er heisst „Pan Perdü“.
Das ist lokaler Dialekt, es ist die Sprache meines Vaters. Ich selbst spreche sie leider nicht, doch ich wollte sie immer verstehen, schon damals, als Kind. Den Namen „Pan Perdü“ hatte ich mir mit viel Fantasie selber zurecht gelegt, und ich kam auf „Verlorenes Brot“. Erst viel später bat ich meinen Vater um seine Übersetzung. Nicht „Verlorenes Brot“ heisst „Pan Perdü“, sondern „Brot für Zwei“! Es war auf unserer letzten gemeinsamen Reise, als ich den Irrtum verstand. Es ging damals zwischen uns auch etwas anderes verloren. Auch deshalb heisst der Grotto für mich bis heute so, wie ich ihn mir ausheckte: „Verlorenes Brot“.




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