Selbstbestimmt in jedem Moment des Lebens

Plötzlich urteilsunfähig: Wer sich dann in guten Händen wissen will, muss vorsorgen. Die Primafila-Journalistin Irena Ristic geht in der Frühlingsausgabe des Magazins «Aspekte» der Credit Suisse diesem Thema auf den Grund.

Dabei traf sie unter anderem auch den Notfall- und Palliativmediziner Dr. Dominik Schneider am Spital Männedorf zum Interview – ein Gespräch über Selbstverantwortung, Lebensqualität und moderne Medizin.

     

Text: Irena Ristic

    

Was passiert, wenn plötzlich die Beatmungsmaschine den Lebenstakt vorgibt? Wer entscheidet dann über die Pflege, Therapien oder sogar über das eigene Leben, wenn man es selbst nicht mehr kann? Es sind Fragen, mit denen sich Dr. Dominik Schneider tagtäglich auseinandersetzt. Wir haben uns mit dem Palliativ- und Notfallmediziner am Spital Männedorf zum Interview verabredet: Es geht um ein Vorsorgethema, das wohl niemanden gleichgültig lässt und dem sich die aktuelle Frühlingsausgabe des Magazins «Aspekte» der Credit Suisse im Rahmen ihres Specials «Vorsorge» widmet – der Patientenverfügung.

Mehr Selbstbestimmung

Wer sichergehen möchte, dass auch im Fall einer Urteilsunfähigkeit die persönlichen Wünsche respektiert werden, kann in der Patientenverfügung definieren, welche medizinischen Massnahmen gewünscht sind – und auch, wer darüber entscheiden darf. Soviel zur «nüchternen» Definition. Dahinter, und das wird sich auch im Gespräch mit Dr. Schneider schnell herauskristallisieren, verbirgt sich eines der grossen Grundprinzipien unserer Gesellschaft: Das Recht des Menschen, über sein Leben selbst zu bestimmen – in jedem Moment seines Daseins.

Dr. Dominik Schneider
Lebensqualität ist subjektiv, sagt Dr. Dominik Schneider, der auf der Palliativstation des Spitals Männedorf arbeitet. ( Foto: Philip Frowein)


«Jeder definiert Lebensqualität anders»

Pünktlich zur vereinbarten Zeit werden der Fotograf und ich von Dr. Dominik Schneider am Empfang abgeholt. Nach einer herzlichen Begrüssung installieren wir uns im Begegnungsraum der Palliativstation des Spitals Männedorf. Der modern gestaltete Raum mit grosser Sofaecke, Esstisch und offener Küche verströmt das gemütliche Flair eines Wohnzimmers. Der Blick durch die raumhohen Fenster auf den Zürichsee und auf den gepflegten Park lässt einen fast vergessen, dass man sich auf der Palliativstation des Spitals Männedorf befindet. Eine Station, die bewusst ein persönliches Ambiente für ihre Patienten und deren Angehörigen kreiert – und ein Ort, der höchsten medizinischen Standard bietet. Eine moderne Medizin, die heute viele Möglichkeiten bietet. Ein Geschenk, zweifelsohne. Doch auch eins, das ethische Fragen und Herausforderungen mit sich bringt. Denn nicht immer ist es im Sinne des Patienten, dass sein Leben gerettet respektive verlängert wird. «Was für jemanden persönlich Lebensqualität bedeutet, ist sehr individuell», erklärt der Mediziner. «Mit einer Patientenverfügung kann er diese definieren und seinen Lieben auf diese Weise schwerwiegende Entscheide ersparen, die sie vielleicht nicht tragen könnten», fügt er hinzu.

Alles klären, solange es einem gut geht

Denn besteht keine Patientenverfügung, müssen die Ärzte bei einer Urteilsunfähigkeit eines Patienten zusammen mit dessen Angehörigen herausfinden, was im Sinne des Betroffenen wäre. Eine folgenschwere Entscheidung, die zur Bürde werden kann. So zeigen etwa Studien, dass selbst engste Angehörige oder auch Freunde oft nicht wissen, was sich ein Betroffener noch im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten gewünscht hätte.

Informationen, die nachdenklich stimmen. Denn allein schon die Vorstellung, nicht mehr Herr oder Frau über die persönlichen Entscheidungen zu sein, weckt bei jedem Unbehagen. Der Impuls, Gedanken an eine derartige medizinische Extremsituation einfach wegzuwischen, ist sofort da. Eine Reaktion, die der erfahrene Mediziner Dominik Schneider durchaus auch persönlich nachvollziehen kann. Dennoch rät er: «Klären Sie diese Fragen, solange es Ihnen gut geht.» Oder in anderen Worten: Dann, wenn noch Zeit dafür ist.

      

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